Unreal Estate House beim Aufbau

Übernachten im Unreal Estate House auf dem Sichtbetong

Seit Montag findet in Dresden im Stadtteil Löbtau das Sichtbetong Kunstcamp statt. Im vorhergehenden Blogpost hatte ich bereits darauf und auf die dazu gehörige Crowdfunding-Aktion hingewiesen. Eine Gegenleistungen, die erst vor ein paar Tagen hinzugefügt wurde, reizte mich besonders: Die Übernachtung im Unreal Estate House von Van Bo Le-Mentzel.

Im Juni wurde der erste Prototyp über Crowdfunding finanziert, der jetzt noch bis Sonntag auf dem Sichtbetong steht und bewohnt werden kann. Da es bei der Aktion neben dem „dabei sein“ und mitgestalten vor allem um die Multiplikation der Idee und weitere Wege ging, die Crowdfunding-Aktion des Sichtbetong zum Erfolg zu führen, lag es nahe, dass nicht ich selbst diese Übernachtung zahlen sollte, sondern es einen Sponsor brauchte. Ich schrieb also mein Gesuch auf Googleplus und verlinkte dies in meinem Facebookprofil und auf Twitter.

Und wirklich, es klappte sogar richtig gut. Relativ fix bekam ich eine E-Mail von Jana Lübeck.

„Lieber Steffen,
ich möchte Dich gern als Sponsor unterstützen und Dir eine Nacht im Unreal Estate House von Van Bo Le-Mentzel ermöglichen. Ich hoffe Du hast nicht schon jemand anderen als Sponsor gefunden…
Die Spende über Vision Bakery ging schon raus. Ich freue mich über Deinen Blog-Beitrag.“

Ganz besonders möchte ich mich also bei Jana Lübeck bedanken, die zusätzlich auch noch eine Kunstpatenschaft für das Sichtbetong übernommen hat. Die Übernachtung konnte ich bereits in der Nacht vom Mittwoch auf den Donnerstag einlösen. Voreilig, denn noch ist das Sichtbetong sehr weit davon entfernt, die Zielsumme zu erreichen.

Spätestens an dieser Stelle sollte sich eine Frage aufdrängen. Warum kann das Sichtbetong überhaupt stattfinden, obwohl das Crowdfunding überhaupt noch gar nicht erfolgreich ist? Im Detail kann ich das natürlich nicht beantworten, weil das natürlich den Veranstaltern selbst obliegt. Grundsätzliches kann ich aber sagen, was vielleicht auch einen großen Teil der Frage beantwortet.

Im Kunst- und Kulturbereich gibt es im Verhältnis gesehen nur sehr wenige wirkliche Unternehmer. In der Regel geht um eine Mischung aus kulturellem und sozialem Engagement, aus Selbstverwirklichung und eben dem Unternehmertum, was aber in der Bedeutung eben nicht den großen Platz einnimmt. Die Kunst- und Kulturprojekte, die in den letzten Jahren und aktuell in Deutschland über Crowdfunding finanziert wurden und werden, haben daher in den sehr vielen Fällen eine Mischfinanzierung. Das heißt, es gibt neben den Einnahmen, die über die Crowdfunding-Kampagne erzielt werden sollen, auch noch andere Einnahmen, wie Eintrittsgelder, Sponsoring, Eigenmittel und eben auch öffentliche Fördermittel.

Um alles miteinander zu kombinieren, gibt es derzeit zwei Wege, die aber beide meiner Meinung nach nicht optimal sind. Der eine Weg ist das Zerlegen eines Projektes in mehrere Teilprojekte anhand ihrer Finanzierungsquellen. So könnte man zum Beispiel einzelne Programmpunkte einer Veranstaltung herausnehmen und diese gezielt über Crowdfunding anbieten und finanzieren. Der andere Weg ist, man setzt als Zielsumme tatsächlich die Summe für das gesamte Projekt an und reicht dann selbst die Mittel, die über Förderung und Sponsoring hinzukommen ein. Auf Startnext ist dieser Vorgang für diese Plattform dokumentiert.

Wie bereits geschrieben, ist beides nicht optimal, mit beidem lässt sich aber arbeiten. Wichtigster Punkt ist, man muss es erklären. Bei der Variante zwei kommt hinzu, dass sie zum Pokern verleitet. In der Praxis beobachte ich immer wieder, dass Projekte auf den Crowdfunding-Plattformen wenig bis gar nicht anlaufen und dann kurz vor Schluss doch noch in einem großen Schritt die Zielsumme erreichen. Auch dafür gibt es natürlich mehrere mögliche Ursachen, die ich auch überhaupt nicht be- und natürlich auch nicht verurteilen möchte.

Als Erkenntnis für mich sehe ich aber, genau an diesem Punkt herrscht ein Mangel an Transparenz und dieser Mangel wird nicht dazu beitragen, dass Crowdfunding in der Bedeutung als Finanzierungsmöglichkeit für Kunst und Kultur wächst. Ein besonders wichtiger Punkt bei der Frage nach Transparenz ist dabei auch mehr Ehrlichkeit auf der Ausgabenseite. Für Kunst- und Kulturschaffende scheint es wie selbstverständlich zu sein, fehlende Einnahmen damit zu kompensieren, selbst nicht dabei zu verdienen und Material- oder Fahrtkosten im Zweifel auch noch selbst zu übernehmen. Auch dazu zähle ich mich durchaus noch hinzu und es macht mich nicht froh.

Um zum Sichtbetong zurück zu kehren, natürlich haben die Workshops und Vorträge, die über die Crowdfunding-Kampagne finanziert werden sollen, bereits stattgefunden oder werden es auch noch. Und natürlich fehlt dieses Geld am Ende in der Abrechnung, dazu muss man keine Zahlen kennen. Es ist also an der Zeit noch einmal Gründe zu nennen, warum wir alle dafür Sorge tragen sollten, dass es so schöne und wichtige Projekte, wie das Sichtbetong geben kann!

Gründe für das Sichtbetong:

Freiraum entsteht nur, indem man ihn nutzt.

Das kleine Areal an der Freiberger Straße, auf dem das Camp errichtet wurde und jetzt noch erlebbar ist, steht eigentlich schon seit mehr als fünf Jahren frei. Durch eine Vereinbarung mit der Stadt und dem privaten Eigentümer ist es sowohl öffentlich nutzbar und trotzdem noch privat. Das ist eine gar nicht mehr so häufige und vor allem ist es eine sehr günstige Situation. Jeder, der schon einmal eine öffentliche Veranstaltung auf Brach- oder Freiflächen einer Gemeinde veranstaltet hat, weiß, mit wie vielen Ämtern man dabei in Kontakt treten muss. Nicht immer, aber jeder, der schon einmal eine Veranstaltung auf privatem Grund veranstaltet hat, weiß wahrscheinlich auch, wie einfach das eigentlich sein kann. Diese Fläche, auf dem das Sichtbetong 2013 steht, hätte also schon sehr häufig kreativ bespielt werden können, nur hat es einfach keiner gemacht. (Die Pläne für die zukünftige Bebauung dieser Freifläche sollen übrigens schon bereit liegen.)

Das Sichtbetong schafft Angebote, wo keine sind.

Das zitiere ich einfach noch mal einen Satz, den mir eine Anwohnerin vor Ort sagte: „Sowas fehlt dem Stadtteil. Wäre gut, wenn das länger bleiben könnte, da ist mal was los.“

Das Sichtbetong bereichert Dresden insgesamt.

Ich finde es wichtig, bei solchen Projekte auch noch einmal die großere Sicht aufzuzeigen. Dresden ist eine Stadt, die sehr viel Kultur zu bieten hat, ohne Frage. Tatsächlich bewegt sich da auch viel. Aber so schön es z.B. ist, dass sich in Zukunft die Spielstätten TJG und Staatsoperette und hoffentlich noch ganz ganz vielen anderen am neuen Standort Kraftwerk Mitte zusammenfinden werden, bedeutet so eine Konzentration leider auch, dass die Peripherie im gleichen Atemzug schlechter gestellt wird. Dresden besteht ja doch nicht nur aus einer Mitte, will man von Dresden als Kulturstadt reden, sollte man den Blick schweifen lassen und dann bewerten.

Das Sichtbetong verbindet Dresden mit anderen Orten.

Bestes Beispiel ist das Unreal Estate House von Van Bo Le-Mentzel. Dieses kam von München und wird danach weiter nach Berlin reisen. Auch die Künstlerinnen und Künstler, die am Sichtbetong beteiligt sind, kommen aus anderen Städten nach Dresden, werden etwas hier lassen, etwas mitnehmen und vielleicht sogar mal wiederkommen.

Das Sichtbetong macht ein Stück Dresdner Geschichte wieder sichtbar.

Der Info Offspring Kiosk von Eva Hertzsch und Adam Page war von 2000 bis 2006 ein wichtiger Bestandteil der Stadtentwicklung.

Eine populäre Idee war das nicht unbedingt, was sich Eva Hertzsch und Adam Page im Jahre 2000 mit ihrem Info Offspring erdachten. Bereits auf der documenta X hatte Adam Pages faltbarer Konferenzraum Executive Box für Aufsehen gesorgt. Nun zielte das Künstlerpaar auf die zeitweilige Belebung und Markierung von städtischen Brachflächen. Nach Meinung des Dresdner Stadtplanungsamtes jedoch vertrugen sich diese Absichten keineswegs mit den „aktuellen Gestaltungsaufgaben des öffentlichen Raumes“ und schon gar nicht mit jenen im historischen Stadtzentrum: „Im Zuge der Verbesserung der Aufenthaltsqualität“ sollten dort „alle Container und Kiosks aus dem Gebiet entfernt werden und demzufolge auch keine neuen, auch temporären Interimsbauten zugelassen werden.“ (aus einem Informationsschreiben vom 15.5.2000).

(Quelle)

Seit 2007 lagerte dieser Teil der Dresdner Stadtgeschichte in Hellerau und wurde vergessen oder blieb unbekannt.

Das Sichtbetong gibt die Möglichkeit, das eigene Lebensumfeld mitzugestalten.

Das betrifft nicht nur diejenigen, die vor Ort mit Pinsel und Farbe oder anderen Materialien aktiv wurden und werden. In dem Augenblick, wo sich das Sichtbetong über Crowdfunding dem Quorum stellt, liegt es an jeder einzelnen Person. Ich möchte das nicht unnötig politisieren. In der Wirtschaft nennt man das auch proof of concept, daran kann man sich vielleicht noch stärker orientieren, weil eine Idee ja nicht gleich falsch oder schlecht ist, nur weil sie nicht gleich das Quorum erreicht. Wichtig ist, wenn wir Projekte, wie das Sichtbetong wollen, können und müssen wir das zeigen!

http://www.visionbakery.com/sichtbetong

Screenshot Sichtbetong @ visionbakery

 

Das Unreal Estate House:

Unreal Estate House beim Aufbau

Der nächste Morgen im Unreal Estate House

 

Ihr Ansprechpartner:

  • Steffen Peschel
  • 01578 8484285
  • sp@konzeptfreun.de