Crowdfunding für Museen? Geht das?

Im vorhergehenden Beitrag hatte ich über allgemeine Kriterien geschrieben, wann Crowdfunding für eine Idee oder ein Projekt machbar wird. Diese gelten natürlich auch für Museen. Um noch tiefer auf Museen einzugehen, fallen mir weitere Aspekte ein, genug für einen neuen Blogbeitrag.

Die Frage nach Crowdfunding für Museen verweist auf die Frage, ob Crowdfunding die klassische Kulturförderung früher oder später ablösen wird. Ich persönlich sehe das in den nächsten 10 Jahren nicht kommen. Ich kann ein paar Gedanken dazu formulieren, warum das meiner Meinung nach so ist. Vorher aber ein paar interessante Crowdfunding-Projekte, die man für die Frage „Crowdfunding für Museen? Geht das?“ heranziehen kann.

Beispiele für Crowdfunding für Museen

Karsten Wenzlaff hat vor etwas mehr als zwei Jahren schon einmal einen guten Überblick mit Beispielen für Crowdfunding für Museen verbloggt. Ein spannendes Projekt ist aufgrund der Fundingsumme von 1,3 Mio USD sicherlich das Tesla Museum. Die Summe ist natürlich überragend! Indigogo hat dazu ein paar Grafiken erstellt und man bekommt ein wenig ein Gefühl davon, welche Aufgabe sich dahinter verbirgt. Das ganze ist nicht einfach eine Kampagne, sondern eher eine weltweite Bewegung, die dieses Geld in den Topf geworfen hat.

Crowdfunding für ein Tesla Museum

Um den nächsten Beispielen noch etwas mehr Futter zu geben, können wir uns fragen: Warum sind Museen wichtig?

Wir gehen in ein Museum und sehen uns gut behütete Ausstellungsstücke an? Ja und es steckt weit mehr dahinter als das Erhalten und Bewahren der Sammlungen. Ein Museum ist ein Bildungsort – ohne den Menschen darin ist ein Museum kein Museum – und ein Museum ist ein Ort der Forschung, denn in einer sich ständig verändernden Welt müssen wir auch immer an der Vergangenheit arbeiten, um die Gegenwart besser interpretieren zu können. Nimmt man noch einmal alles zusammen, ist ein Museum identitätstiftend. Der Mensch ist allgegenwärtig. Keine schlechte Grundlage für Crowdfunding!

Das nächste Beispiel ist kein Museum aber vergleichbar: das Marina Abramovic Institute. Auf Kickstarter erreichte diese Kampagne für den Ausbau eines Hauses über 660.000 USD. Auch hier wird deutlich, welche Voraussetzungen gegeben sind und beigetragen haben. Die Künstlerin ist sehr bekannt und es kommt Innovation ins Spiel. Im Video macht Marina Abramovic sehr deutlich, dass es eine solche Einrichtung wie das MAI für die Performancekunst bisher nicht gibt!

(Screenshot internetmuseum.berlin)

Anfang des Jahres gab es auf Startnext eine Kampagne für ein Internetmuseum in Berlin. Die Crowdfunding-Kampagne verlief zunächst vielversprechend und bekam nicht nur in Deutschland z.B. auf golem.de, heise.de oder im monopol-magazin.de sondern auch mehrfach international Aufmerksamkeit. Dass  von 10.000 trotzdem nur 710 Euro zusammen kamen, hatte ich zunächst auch nicht gedacht, würde ich aber weniger mit inhaltlichen Problemen, sondern mehr mit handwerklichen Fehlern im Kommunikationsdesign begründen. In einem späteren Blogbeitrag werde ich auf diesen Fall noch einmal eingehen. Wie man übrigens auf Facebook lesen kann, ist mit dem Scheitern der Crowdfunding-Kampagne nicht das Projekt insgesamt gescheitert. Auch ein aktueller Fernsehbeitrag des rbb zeigt, dass es weitergeht. Aufmerksamkeit hat die Kampagne auf alle Fälle gebracht.

Mit dem Projekt Westflügel Leipzig, barrierefrei & warm“ auf VisionBakery möchte ich die Beispiele abschließen. Auch das ist kein Museum, sondern eine Spielstätte für Figurentheater. Ich möchte das aber zeigen, weil es einen Unterschied zu anderen Projekte unterstreicht, der für Museen auch eine wichtige Rolle spielt. „barrierefrei & warm“ gehören  wie der Erwerb von Grund und Boden (Tesla Museum) oder der komplette Ausbau eines Gebäudes (Maria Abramovic Institut) zur Infastruktur, also zu Dingen, die nicht ausschließlich für ein einzelnes Projekt gebraucht werden, sondern Grundlagen bilden.

Crowdfunding braucht Teamgeist und ggf. ein persönliches Verlangen sich selbst in Szene zu setzen

Die Frage nach Crowdfunding für Museen zielt also auch auf die Finanzierung von Gegebenheiten und Voraussetzungen. Schwierig ist das vor allem, weil aus den meisten dieser Grundlagen noch keine oder nur mit viel Phantasie direkte Gegenleistung für ein Crowdfunding erzielt werden kann.

Ich persönlich unterstelle jedem, dass für eine gute Kuration oder zeitgemäße Bildungskonzepte im Museum eine irgendwie geartete Ausbildung und vor allem einiges an Praxiserfahrung notwendig sind. In dem Augenblick, in dem ich dafür eine Crowd gewinnen möchte, muss ich überlegen wie ich das inszenieren, also für den potentiellen Unterstützer sichtbar machen kann! Das gelingt natürlich um so besser, je mehr diejenigen, die es betrifft, bereit sind selbst in Szene zu setzen.

Ich denke das Beispiel passt recht gut, um zu zeigen, dass Crowdfunding nicht nur der oder die PR-Beauftragte allein umsetzen kann, sondern das gesamte Team gefordert ist. Crowdfunding ist eben nicht nur ein neuer Weg für die Finanzierung. Immer dann, wenn Crowdfunding ganzheitlich begriffen wird, man Crowdfunding also auch als neue Form der Kommunikation und als neue Form der Beteiligung nach Innen und nach Außen begreift, wird es für alle Beteiligten spannend, also auch für die gesuchten Unterstützer!

Crowdfunding nur für Produkte und Projekte oder auch für Ressourcen und kulturelle Infrastruktur?

Über Crowdfunding werden vorwiegend Produkte und Projekte finanziert. Es geht eine CD, einen Film oder ein Spiel zu produzieren, ein Buch zu veröffentlichen, ein Theaterstück auf die Bühne zu bringen, ein Event zu ermöglichen usw. und so fort. Ein Produkt ist etwas, das ich mir nicht nur in die Anbauwand stellen kann, sondern tatsächlich eine Form hat. So etwas kann man als Prototyp herstellen oder zur Not aufmalen. Produkte kann man besser visualisieren und damit inszenieren als z.B. Bildungsarbeit. Das hatten wir gerade eben schon.

Bei einem Projekt ist ein wichtiger Unterschied der Anfang und das Ende. Die lassen sich nämlich auf einer Zeitskala festlegen und sich wichtig, um jemanden zu erklären, um was es geht.

Anfang und Ende erschaffen einen Abschnitt auf einer Zeitschiene. Letztlich ist Zeit etwas was uns alle verbindet, selbst wenn wir nicht am gleichen Ort sind. Anfang und Ende referenzieren nicht nur unsere Zeit, sondern auch die des potenziellen Unterstützers. Dringlichkeit ist ein wichtiger Faktor einer Kampagne. Wir brauchen einen Grund, warum etwas jetzt wichtig ist und nicht noch warten kann, denn was wir brauchen ist eine konzentrierte Aufmerksamkeit, um mit unserem Anliegen tatsächlich auch andere zu erreichen, die wir nicht auch ohne Kampagne erreichen können.

Zusätzlich gilt: Je überschaubarer der Zeitraum ist, je deutlicher das Ende oder Ziel absehbar ist, desto eher wird für den potentiellen Unterstützer nachvollziehbar, um was es eigentlich geht. Für die Vermittlung von Dingen, die noch in der Zukunft liegen, brauchen wir Geschichten und bedienen uns dabei nicht selten einer gedachten Reise. Je kürzer die Reise, desto klarer das Bild.

Zur Frage, ob sich auch kulturelle Infrastruktur über Crowdfunding finanzieren? Eindeutig Ja. Es entstehen zusätzliche Aufgaben, weil man öffentliche Aufmerksamkeit für Dinge schaffen muss, die bisher da nicht waren, aber auch das lässt sich begründen, wenn man den potentiellen Supporter eben als Teammitglied begreift.

Letztlich kommt dabei heraus, dass man Projekte, also Abschnitte und Einzelstücke schaffen muss, wo sie noch nicht da sind. Besonders schön zu sehen ist das beim Fotobuchmuseum, bei der letztlich Grundlagen in einzelnen Schritten geschaffen werden.

Photobookmuseum masterplan

Im Sommer 2014 wurden über 237 Unterstützer insgesamt 27.080 Euro auf Indiegogo gesammelt. Die gesamte Kampagne ist ein Hingucker, macht Lust und Hunger auf Fotobücher! Mein Lieblingssatz: „Fotobücher machen süchtig, aber sie bringen Dich nicht um“ (Erik Kessler, Museums-Board). Auf photonews.de gibt es einen Beitrag über das Crowdfunding mit Hintergründen und Überlegungen, die im Vorfeld angestellt wurden.

Crowdfunding vs. Kulturförderung?

Ja, richtig, Bildung und andere Aspekte im Museumskontext sind Staatsaufgabe. Der Staat darf über Crowdfunding nicht aus seiner Pflicht genommen werden. Die Diskussion halte ich mit Blick auf die Zahlen aber für unbegründet. Nehme ich als Beispiel die Stadt Dresden, werden dort jährlich bis zu 84 Mio Euro (2014) für die Kultur in den Haushalt eingestellt. In den vergangen fünf Jahren Crowdfunding wurden hingegen über alle Bereiche, also nur nicht Kultur, im Raum Dresden rund 800.000 Euro gesammelt. Crowdfunding macht im Sektor Kultur immer noch recht wenig aus, ist eine zusätzliche Quelle im generell wichtiger werdenden Finanzierungsmix und sicherlich unterhalb der Zahlen von Spenden und Sponsoring.

Wenn wir bei der Pflicht des Staates waren, muss man sehen, die geht aber noch weiter.  Es ist auch eine Pflicht die zur Verfügung stehenden Mittel zweckmäßig und effizient einzusetzen. Wenn man ehrlich ist, macht genau das Innovation sehr schwierig, weil nicht alles, was innovativ ist, auch funktioniert. Auch wenn ich mir persönlich mehr Freiräume für das Ausprobieren wünsche und dieses sogar dringend halte, kann ich grundsätzlich verstehen, warum wenig experimentiert wird. Crowdfunding ist also für den Kulturbereich einen spannender Weg, um ganz pragmatisch Innovation möglich zu machen für die es bisher tatsächlich noch zu wenige Wege gibt!

Und als drittes muss man tatsächlich fragen, ob die Gegenüberstellung von Crowdfunding und Kulturförderung tatsächlich gerechtfertigt ist. Denn wie schon oft beschrieben, ist Crowdfunding eben nicht nur ein Weg eine Finanzierung aufzustellen, sondern eben auch ein Weg für eine neue Qualität der Kommunikation und der Zusammenarbeit. Und letztlich ist es auch ein proof od concept. Wenn etwas neues von vielen mit ihrem eigenen Geld finanziert wird und neu auf die Landkarte der kulturellen Infrastruktur gestellt wird, zeigt das auch eine Relevanz auf und bringt für die Verstetigung eines Angebotes.

In Kurzform: Crowdfunding für ein Museen? Geht das? Definitiv: Ja! Es gibt gute Gründe, es gibt gute Beispiele und es heißt aber auch, dass man sich im Team durchaus komplett neuer Herausforderungen stellen muss.

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